Modellierungspraktikum Sommersemester 2023

Das diesjährige Modellierungspraktikum behandelt das dynamische Verhalten eines Kolloids der Masse m in einem Fluid im thermodynamischen Gleichgewicht:

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{\includegraphics[width=2cm]{backflow0.ps} \
\includegraphics[width=2cm]{backflow1.ps} \
\includegraphics[width=2cm]{backflow2.ps} \
\includegraphics[width=2cm]{backflow3.ps}}

Wie die obige Skizze illustrieren soll, verdrängt das Kolloid bei seiner Bewegung die Fluidpartikel, was zunächst einen bremsenden Reibungseffekt ergibt. Hinter dem Kolloid entsteht jedoch ein Sog, in den die verdrängten Partikel hineingezogen werden, bis sie schließlich von hinten an das Kolloid stoßen und es dabei
beschleunigen. Da es sich größtenteils um dieselben Teilchen handelt, die kurz vorher weggestoßen wurden, steht dieser beschleunigende Effekt mit der Geschwindigkeit v des Kolloids aus der Vergangenheit in Zusammenhang; die Bewegungsgleichung des Kolloids enthält also einen Gedächtnisterm:
\[
m \dot{v}(t) \,=\, \int_0^t \gamma(t-\tau)v(\tau) d\tau + F(t).
\] Dabei ist $\gamma$ der sogenannte Gedächtniskern und F eine effektive Kraft, die aus der Interaktion der Fluidpartikel untereinander resultiert.

In der statistischen Physik ist man an einer Modellierung der Bewegung des Kolloids interessiert, die ohne die Bewegungsgleichungen der Mikroteilchen auskommt, da diese ansonsten auch simuliert werden müssen.
Daher ersetzt man die effektive Kraft F durch einen stochastischen Prozess. Allerdings ist es in der Regel nicht realistisch, den Gedächtniskern und die effektive Kraft analytisch hinschreiben zu können; diese Größen müssen vielmehr aus numerischen Molekulardynamik-Rechnungen extrahiert werden.

Das Praktikum behandelt sowohl dieses inverse Problem als auch die resultierende Simulation der Bewegung des Kolloid-Teilchens (das Vorwärtsproblem). Die Ergebnisse der atomistischen Molekulardynamik-Simulationen, also die Daten für das inverse Problem, werden zur Verfügung gestellt. Für eine Teilnahme am diesjährigen Praktikum ist keine vorherige Teilnahme an der Vorlesung "Numerik partieller Differentialgleichungen" erforderlich; die stochastischen Grundlagen werden im Vorlesungsteil des Praktikums erarbeitet.

Literatur:

G. Jung, M. Hanke und F. Schmid, Iterative reconstruction of memory kernels,
J. Chem. Theory Comput. 13 (2017), S. 2481-2488.

 

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