Inverse und schlecht gestellte Probleme

Der Schwerpunkt unserer wissenschaftlichen Arbeit liegt im Bereich der inversen Probleme, einem aktuellen Gebiet mit zahlreichen Anwendungen in der Medizin, den Natur- und Ingenieurwissenschaften. Bei den resultierenden linearen oder nichtlinearen Gleichungen stellt sich in vielen Fällen die von Hadamard Anfang des 20. Jahrhunderts erstmals aufgeworfene Frage nach der sachgemäßen Formulierung ("well-posedness'') des Problems. Neben der Frage nach Existenz und Eindeutigkeit (Identifizierbarkeit) der Lösung ist - gerade im Kontext der numerische Mathematik - die stetige Abhängigkeit der Lösung von den gegebenen Parametern der kritische Punkt. Bei inversen Problemen ist diese Eigenschaft allzu oft verletzt; das Problem ist unsachgemäß gestellt ("ill-posed''). Die Folge ist ein unbeschränkt anwachsender Datenfehler bei einer exakten Inversion.

Um dies zu vermeiden, muss ein gewisser Verfahrensfehler bei der numerischen Rekonstruktion in Kauf genommen werden. Man spricht allgemein in diesem Zusammenhang von einer Regularisierung des Problems. Zu jedem Regularisierungsverfahren gehört ein entsprechender Regularisierungsparameter, der den Kompromiss zwischen fortgepflanztem Datenfehler und Verfahrensfehler steuert. Diesen Zweck kann beispielsweise ein Diskretisierungsparameter oder - wie etwa in der Tikhonov-Regularisierung - ein spezieller Verfahrensparameter erfüllen.

In unseren Arbeiten stehen iterative Regularisierungsverfahren im Vordergrund, bei denen der Iterationsindex die Rolle des Regularisierungsparameters übernimmt. Die entsprechenden Untersuchungen konzentrieren sich auf semiiterative Verfahren (die ν-Methoden) und das Verfahren der konjugierten Gradienten (CG-Verfahren) im linearen Fall bzw. Newton-artige Verfahren im nichtlinearen Fall. Die lineare Theorie ist inzwischen weitgehend abgeschlossen und in der gemeinsam mit H.W. Engl und A. Neubauer (Johannes Kepler Universität Linz, Österreich) verfassten Monographie dargestellt. Aktuell stehen daher verstärkt nichtlineare Probleme im Mittelpunkt des Interesses, etwa die elektrische Impedanztomographie.